Bei der Ankunft der UNITED STATES geriet Bremerhaven jedes Mal in Aufruhr. Die Besatzung strömte in Läden, Kneipen und Restaurants der Hafenstadt. Kurz vor Abfahrt dröhnte dann das Typhon. Unzählige Menschen säumten die Columbuskaje, um den legendären Ozeanliner für die Reise in die USA zu verabschieden. Von 1953 bis 1969 fuhr das Schiff im regelmäßigen Transatlantikdienst zwischen Bremerhaven und New York.
Mit freundlicher Unterstützung von: bremenports, Fonds Darstellende Künste, Kulturamt Bremerhaven, Wespa, Landschaftsverband Stade, Gemeinde Schiffdorf
Kurz vor Ende von »No Finer Way« fährt die SS UNITED STATES in New York ein, vorbei an der Freiheitsstatue – in Form einer immerhin prächtig illuminierten Klappleiter, die unten am Kai über die Spielfläche gezogen wird. Ein schöner kleiner Witz, der das Pathos der Szene bricht. Und die Grandezza der Szenerie: auf der anderen Seite der nachtschwarzen Wesermündung glitzern die Lichter von Nordenham, das zumindest im Dunkeln aus der Ferne recht romantisch aussieht … Die Räume des Columbusbahnhofs sind auch ganz ohne die Geschichten, die Siemssen und sein von einer Laienschar assistiertes sechsköpfiges Ensemble auf Deutsch und Englisch erzählen, eine Schau mit ihrem vergilbten Charme, den alten Schildern und Möbeln. Eine stringente Handlung braucht es da gar nicht. Es sind eher Facetten, Episoden, die den Geist der Vergangenheit und des Orts heraufbeschwören.
Kapitän Siemssen und seiner Crew gelingt das Kunststück, die glorreiche Vergangenheit in zwölf Szenen einzufangen, ohne dabei allzu sentimental zu werden. Im Vordergrund stehen dieses Mal die Bilder, nicht die Geschichten. Und natürlich - ein letztes Mal - der Ort. Die Zuschauer erleben den Columbusbahnhof - pardon, das Schiff - aus fast jeder Perspektive. Sie durchstreifen ihn zu Fuß, immer freundlich geleitet von den Schauspielern: »This way please«. Sie gucken von unten nach oben, sehen zum Beispiel auf einer Video-Einspielung wie der Luxusliner mit Proviant beladen wird. Sie erleben die Einfahrt nach New York von der Galerie aus und schauen auf die Wesermündung, die sich gerade in den Hudson-River verwandelt hat. Sie machen mehrmals Halt im Wartesaal 2. Klasse, durchstreifen die Haupthalle. Sie werden sogar zu Akteuren im Spiel, lassen sich brav vom Bordfotografen ablichten, wagen zögerlich einen Walzer. Die Zeitreise setzt sich auch kulinarisch fort, Cola, Eiscreme und Popcorn erinnern daran, wie das war, als die Amerikaner in Bremerhaven den Speiseplan revolutionierten … Damit die Wehmut das Publikum nicht übermannt, setzt der Regisseur immer wieder auf Verfremdungsseffekte, nutzt sehr kreativ das Material, das er vor Ort vorgefunden hat wie die Tampen, aus denen sich trefflich die Bahnen im Schwimmbad formen lassen. Oder die Rettungswesten, die zu Papierschlangen werden. Oder die Gardine, aus der eine Weinflasche, ein Glas und Besteck entstehen. Oder die Türgriffe aus Holz und Metall, die sich in Tanzpartner verwandeln.
… aktuell wird mit dem Stück »No finer way« von der SS UNITED STATES erzählt. In den USA hatte Regisseur/Autor Jens-Erwin Siemssen ehemalige Crewmitglieder und Passagiere interviewt und wie üblich aus den O-Tönen kurze Szenen collagiert. Untypisch, dass dies nun nach Art der Musicals mit Gesangseinlagen geschieht, die Frank Sinatra oder die »West Side Story« zitieren und fürs maritime Klangparfüm auf Schifferklavierbegleitung setzen. Zum sechsköpfigen Schauspielensemble gesellt sich ein Statisten-Chor sowie eine kleine Bigband – alle sind in picobello weiß-elegante Livreen gekleidet … Mit dem Typhon-Signal wird zum Gang an Bord, in diesem Fall zu den szenischen Installationen ins Gebäude gerufen. Sehr gelungen wie Richard Gonlag am Infostand der alten Zollhalle den Fahrstuhlführer zum Bordschwimmbad mit schamhaftem Stolz spielt, als er von der Begegnung mit Promis wie Burt Lancaster oder Harry S. Truman erzählt.